30. November 2020
Nachhaltigkeit

„Es geht darum, grüner zu werden, als wir es gestern waren“ - Interview mit John Warner

30. November 2020

John Warner gilt als einer der Mitbegründer der „Grünen Chemie“. Ende November sprach er bei BASF über das Thema „Erfindung nachhaltiger Chemie durch Nutzung natürlicher Mechanismen“. Die Veranstaltung war Teil der Reihe „Talk Sustainability“, in der Experten mit BASF-Mitarbeitern zu Nachhaltigkeitsthemen ins Gespräch kommen. Sustainability News traf John Warner vor der Veranstaltung für ein Gespräch.

Worum geht es bei der Grünen Chemie?

Wir Menschen forschen bereits seit etwa 300 Jahren auf dem Gebiet der Chemie. Seitdem hat sie uns unzählige Vorteile beschert. Ein Beispiel: Ärzte haben heute bessere Medizin als je zuvor, um ihre Patienten zu behandeln. Das verdanken wir zu einem großen Teil chemischen Innovationen. Aber in den letzten zwei Jahrzehnten haben wir erkannt, dass einige dieser Innovationen unserer Gesundheit und der Umwelt auch schaden können. Deshalb müssen wir Chemie neu denken, um sicherzustellen, dass unsere nächsten Innovationen keine negativen Auswirkungen auf uns Menschen und die Umwelt haben. Das ist aber nur ein Kriterium der Grünen Chemie. Unser Ziel muss es auch sein, Technologien zu erfinden, die leistungsfähiger und kostengünstiger sind als die bisherigen. Bessere Leistung, niedrigere Kosten und geringe oder keine Auswirkungen auf die Umwelt – darum geht es bei Grüner Chemie.

Ist eine zu 100 Prozent Grüne Chemie überhaupt möglich? Und wenn ja, wo stehen wir aktuell?

Eine 100-prozentige Grüne Chemie ist nicht möglich. Denn für uns Menschen ist es unmöglich, keinen Einfluss auf unsere Umwelt zu haben. Aber indem wir uns ein ehrgeiziges Ziel setzen, wird die Richtung klar, die wir einschlagen müssen. Für mich ist Grüne Chemie eher ein Prozess: Wir müssen ständig versuchen, unsere Auswirkungen zu reduzieren und die chemische Industrie und ihre Technologien "grüner" zu machen, als sie es gestern waren. Und dieser Prozess hat gerade erst begonnen. Ich glaube, die meisten Technologien, die uns helfen, grüner zu werden, haben wir noch gar nicht erfunden.

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John Warner, amerikanischer Chemiker, macht es sich zur Aufgabe, eine nachhaltige Zukunft zu schaffen, indem er die Art verändert, wie Chemie betrieben, gelernt, erforscht und wirtschaftlich genutzt wird.

Welche Beziehung besteht zwischen Grüner Chemie und Kreislaufwirtschaft?

Die Kreislaufwirtschaft ist der Zustand, den wir erreichen wollen. Denn sie beschreibt einen Zustand, in dem wir unsere Produkte immer wieder verwenden und dadurch unseren Abfall minimieren. Die Grüne Chemie ist der Prozess, um genau dies zu erreichen. Denn sie vermittelt Forschern das Wissen und die Fähigkeiten, die Auswirkungen ihrer Innovationen auf Mensch und Umwelt immer wieder zu bewerten und zu verbessern.

 

Seit der Gründung von BASF im Jahr 1865 haben wir unser integriertes Verbund-Produktionssystem immer weiterentwickelt, um Rohstoffe, Energie und Emissionen einzusparen. Nachhaltigkeit ist seit knapp 25 Jahren ein integraler Bestandteil unserer Strategie. Welchen Beitrag kann ein Chemieunternehmen wie BASF heute zur Grünen Chemie leisten?

Für mich geht es hier nicht um die Frage, wie kann, sondern wie muss BASF dazu beitragen. Denn weltweit wird die Nachhaltigkeit von Produkten für Verbraucher immer wichtiger. Als Lieferant für Kunden in fast allen Branchen steht BASF an vorderster Front, um Veränderungen anzustoßen. Ihren Kunden dabei zu helfen, ihre Produkte umweltfreundlicher zu machen, kann ein wichtiger Erfolgsfaktor für BASF sein.

 

Digitalisierung und Grüne Chemie - eine gute Kombination?

Ja, auf jeden Fall! Ich denke zum Beispiel an die vielen Erkenntnisse, die Forscher Tag für Tag in ihren Laboren. Bis vor einigen Jahren war es nicht ganz so einfach, diese Erkenntnisse und Ideen mit anderen Forschern zu teilen. Dank der Digitalisierung tauschen sich Forscher heute weltweit und innerhalb von Minuten untereinander aus. Ich denke das, zusammen mit neuen Methoden wie der Big Data-Analyse oder dem Supercomputing, wird sehr bald zu mehr Innovationen im Bereich Grünen Chemie beitragen.

 

Sie haben die Grüne Chemie Anfang der 1990er Jahre zusammen mit Paul Anastas begründet. Heute ist die Grüne Chemie fast schon Mainstream. Was kommt als nächstes? Denken Sie über eine Grüne Chemie 2.0 nach?

Nein, wir haben noch einen langen Weg vor uns. Vor allem wenn es darum geht, Grüne Chemie der nächsten Generation von Chemikern näherzubringen. Denn die chemische Industrie hat schon vor langer Zeit begonnen, auf Grüne Chemie zu setzen. Denn wie ich schon sagte: Sie kann Innovationen liefern, die effizienter, billiger und besser für die Umwelt sind. Universitäten hinken was die Grüne Chemie betrifft jedoch hinterher. Deshalb haben wir insbesondere im Bereich der Lehre der Grünen Chemie noch einiges zu tun. Aus diesem Grund habe ich "Beyond Benign" gegründet, eine Organisation, die sich dafür einsetzt, Lehrenden und Studierenden die Grüne Chemie näher zu bringen.

Über John Warner

John Warner, amerikanischer Chemiker, macht es sich zur Aufgabe, eine nachhaltige Zukunft zu schaffen, indem er die Art verändert, wie Chemie betrieben, gelernt, erforscht und wirtschaftlich genutzt wird. Warner ist davon überzeugt, dass „die Chemie die Lösung ist, nicht das Problem“. Er hat über 300 Patente registriert und forscht aktuell bei der Zymergen Corporation an der Entwicklung und Schaffung kommerzieller Technologien, die von der Natur inspiriert sind und mit den Prinzipien der grünen Chemie in Einklang stehen. Zudem leitet er das Zentrum für nachhaltige und zirkuläre Technologien an der Universität von Bath.

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Birgit Hellmann
Global Sustainability Communications
Letzte Aktualisierung 30. November 2020