Ludwigshafen

Die Logistik rund um den Rhein

Zehn Kilometer erstreckt sich das Ludwigshafener Werksgelände heute entlang des Rheins, drei Häfen unterhält das Unternehmen, um Rohstoffe und Produkte in fester, gasförmiger und flüssiger Form von durchschnittlich 12 Binnenschiffen pro Tag ans Werk heranzuführen sowie zum Kunden zu transportieren. Hoch- und Niedrigwasser stellen die Logistik am Stammwerk vor besondere Herausforderungen. Eine weitere Besonderheit ist der Düker, ein Versorgungstunnel, der - unter dem Rhein - das Werk Ludwigshafen mit der Friesenheimer Insel verbindet. Finden Sie unten weitere Informationen rund um die Logistik des Rheins. 

Der BASF-Standort Ludwigshafen ohne den Rhein? Undenkbar. Wie bedeutend der Rhein insbesondere für die Rohstoffversorgung des Standorts Ludwigshafen ist, zeigt schon ein Blick auf die Ladekapazitäten der wichtigsten Transportmittel: Das Binnenschiff als größter Rohstoffversorger transportiert durchschnittlich rund 2000 Tonnen. Der Güterzug bringt es als Ganzzug auf 1.200 bis 1.500 Tonnen. An dritter Stelle rangiert der u. a. im kombinierten Verkehr mit der Eisenbahn (Intermodalverkehr) eingesetzte Lkw: Seine Ladekapazität beträgt bei den im Rohstofftransport genutzten Tankcontainern zirka 25 Tonnen.

Sie alle sind gefordert, wenn der Rhein im Griff der Jahreszeiten oder durch besondere Ereignisse zeitweise nur eingeschränkt als verlässliche Wasserstraße funktioniert. „Der Rhein ist für den Standort Ludwigshafen Segen wie Herausforderung zugleich: Er ist die Versorgungsader für das Werk und als Transportweg für große Gütermengen so wichtig wie kein zweiter. Wenn es hier einmal klemmt, spürt das der gesamte Standort“, sagt Dr. Andreas Backhaus, Leiter European Site Logistics.

Und genau dazu kam es im in der zweiten Jahreshälfte 2018: Zwischen September und Dezember ging auf Deutschlands wichtigster Wasserstraße kaum noch etwas, weil Niedrigwasser die Ladekapazitäten der Schiffe zunehmend einschränkte.

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Ca. 20% 

mehr Transport wird bis 2030 per Schiff abgewickelt. 

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2.000 Tonnen

wiegt ein typisches Binnenschiff

Bei aufkommendem Niedrigwasser beginnen die BASF-Logistiker als Erstes, die Folgen der Ladebeschränkungen bei Binnenschiffen abzumildern. In zwei Arbeitskreisen stimmen sich Vertreter der Logistik, Produktionsbetriebe, Supply Chain-Einheiten und der Unternehmensbereiche eng miteinander ab.

 „Das wichtigste ist eine frühzeitige und intensive Kommunikation mit den betroffenen Produktionsbetrieben und den Kunden“, sagt Dieter Mehrle, Barging Services Europe, verantwortlich für die Binnenschifflogistik am Standort Ludwigshafen. Zu den weiteren Maßnahmen gehören das regelmäßige Erstellen von Prognosen über die kurzfristige Entwicklung des Flusspegelstands, kontinuierliche Überwachungen der Warenströme und das ständige Prüfen von Verlagerungsmöglichkeiten auf andere Verkehrsträger.

„Uns hatten die Monate Oktober und November 2018 zunehmend zu schaffen gemacht. Was hier von den betroffenen Einheiten und Kollegen geleistet wurde, war einzigartig“, sagt Mehrle. Eine Herausforderung, die auch die Eisenbahnkollegen am Standort Ludwigshafen meisterten: „Die Bahnkesselwagen waren knapp und wurden nach Priorität den zu transportierenden Rohstoffen zugeteilt. Die neu hinzugekommen BASF Class-Tankcontainer haben uns auch in dieser Zeit bereits geholfen“, sagt Katharina Guenther, Teamleiterin Bahnumlaufsteuerung.

Um auf niedrige Rheinpegel gut vorbereitet zu sein, werde aktuell an Konzepten gearbeitet, wie die Standortversorgung bei Niedrigwasserereignissen künftig widerstandsfähiger gemacht werden könne, so Mehrle. Diese reichen von kurzfristigen Maßnahmen wie der festen Buchung von zusätzlichen Charterschiffen für definierte Zeiträume bis hin zu Verhandlungen mit Reedereien über die Anschaffung von speziellen niedrigwassertauglichen Schiffen. „Es wird sicher Veränderungen geben, aber der Rhein als Verkehrsweg wird für uns ganz sicher sehr wichtig bleiben“, sagt Mehrle.

Das Rheinniedrigwasser von 2018 hatte deutlich gezeigt, wie bedeutend Deutschlands wichtigster Wasserverkehrsweg für die Versorgung des Werks Ludwigshafen ist. Mit großem Engagement der Belegschaft und dem kurzfristigen Betätigen vieler unterschiedlicher Stellschrauben musste die BASF-Logistik auf diese Phase reagieren.

Binnenschiff

Wenn die sprichwörtliche „Handbreit Wasser unterm Kiel“ der Binnenschiffe in Gefahr gerät, steht der BASF-Standort Ludwigshafen vor ganz besonderen Herausforderungen: Das Binnenschiff trägt wesentlich dazu bei, den Standort Ludwigshafen mit Rohstoffen zu versorgen. Konkret heißt das: Jeden Tag gehen im Durchschnitt 12 Binnenschiffe an den BASF-Häfen vor Anker, rund drei Viertel davon beladen mit Rohstoffen. Das Binnenschiff verbindet den Standort Ludwigshafen darüber hinaus auch mit den Überseehäfen Amsterdam-Rotterdam-Antwerpen, kurz ARA. „Für den Standort Ludwigshafen gilt der Rheinpegel bei Kaub am Mittelrhein als Leitmarke. Hier ist die flachste Stelle des Rheins, die – eingebettet in felsigen Untergrund – ein Schiff zwischen der Nordsee und dem Oberrhein passieren muss“, sagt Dieter Mehrle, Barging Services Europe. Fällt dort der für die Schiffsbeladung relevante Wasserstand auf einen Wert von unter 160 Zentimetern, herrscht bereits Niedrigwasser. Für das Binnenschiff bedeutet das, Ladung reduzieren. Je nach Grad des Niedrigwassers müssen nun für die gleiche Ladekapazität mehr Schiffe eingesetzt werden – eine Situation, die die Reedereien und die BASF-Ladekoordination gleichermaßen vor Herausforderungen stellte.

Zum Zeitpunkt des niedrigsten Pegelstandes im November 2018 seien schließlich nur noch sehr wenige niedrigwassertaugliche Schiffe in der Lage gewesen, die BASF-Häfen anzusteuern, so Mehrle. 

Eisenbahnlogistik

Wenn die Ladekapazität der Binnenschiffe zurückgeht, ist als Erstes die Bahn gefragt. Eine große Herausforderung für die BASF-Bahnlogistik, da der freie Markt sehr schnell auf Veränderungen durch Niedrigwasser reagiert – Kesselwagen und Transportkapazitäten werden knapp. In 2018 kam es zusätzlich zu geplanten und nicht geplanten Fabrikrevisionen, sodass zusätzliche Mengen für die Rohstoffversorgung über die Bahn transportiert werden mussten. Die Bahnlogistiker besprachen sich ab Oktober 2018  in täglichen Telefonkonferenzen mit allen Beteiligten, welche Rohstoffe störungsfrei über die Schiene nach Ludwigshafen gebracht werden sollten. Die Aufgabe ist es in solchen Situationen, die knappen Ressourcen bedarfsgerecht zur Aufrechterhaltung der Wertschöpfungsketten am Standort einzusetzen. Hierzu gehört das Bereitstellen von ausreichend Kesselwagen, die werksinterne Zuführung an die Ladestellen und der externe Transport.

„Es waren intensive Monate, da das Niedrigwasser unerwartet lange andauerte. Es mussten starke Kürzungen vorgenommen und Kesselwagen im ‚Koordinationskreis Verbund‘ zugeteilt werden. Ohne die Motivation und das enge Zusammenrücken der BASF-Mannschaften wäre es nicht möglich gewesen, diese Herausforderungen zu meistern“, sagen Peter Rösner und Gerd Fischer nicht ohne Stolz: „Von den physischen über die administrativen Logistikeinheiten und dem Frachteneinkauf in enger Zusammenarbeit mit den Geschäftseinheiten haben alle großartige Arbeit geleistet.“

LKW- und Intermodalverkehr

Dass bei Naturereignissen wie dem Niedrigwasser alle Verkehrsträger für die Versorgung des Werks gleichsam wichtig sind, zeigt ein Blick auf den Lkw- und Intermodalverkehr.

Auch wenn der Lkw – im Gegensatz zu seiner Bedeutung als wichtigster Verkehrsträger in der Absatzlogistik – bei der Rohstoffversorgung des Werks eine untergeordnete Rolle spielt, hatte er bei der Bewältigung der Niedrigwasserphase 2018 einen bedeutenden Anteil: Ab Mitte Oktober steuerten die Ladestellen-Feinplaner des Transport Management Surface Bulk Europe-Teams beispielsweise über 65 angemietete Tankcontainer, die im Rundlauf über Straße und kombinierten Verkehr die Versorgung des Werks unterstützen. „Der Landverkehr ist sehr beweglich und kann sich kurzfristig auf verändernde Situationen einstellen“, sagt Teamleiter Dirk Wagner. Dadurch wurden die internen Lkw-Logistikexperten während des Niedrigwassers zum beachteten Partner bei den Versorgungsplanungen. „Viele Kollegen haben gesehen, dass wir mit einem Transportvolumen von rund 8000 Tonnen einen wichtigen Beitrag zur Standortversorgung geleistet haben – das macht uns stolz“, sagt Wagner.

 

 

Der Rhein beeinflusst Leben und Arbeit am Standort Ludwigshafen – und das nicht nur bei extrem niedrigem Wasserstand. Auch bei Hochwasser gilt es, besondere Maßnahmen zu ergreifen.

Bei Hochwasser, wie zuletzt im Januar 2018, werden zahlreiche vorausschauende Maßnahmen zur Sicherheit am Standort – festgelegt von der Hochwasserkommission von BASF. Das Gremium unter der Leitung von ESE besteht aus Vertretern der Einheiten Infrastruktur Ludwigshafen und Umweltüberwachung sowie der Werkfeuerwehr. Je nach Pegelstand und weiterer Prognose entscheidet die Kommission über die jeweils angemessenen Maßnahmen – zum Beispiel, ob und wann die Rheinuferstraße gesperrt werden muss.

Die Schiffslogistikexperten von BASF bleiben bei Hochwasser indes gelassen: „Für die Binnenschifffahrt stellt Hochwasser in der Regel kein langwieriges Problem dar, da es den Rhein nur punktuell betrifft“, sagt Dieter Mehrle, Barging Services Europe. Selbst wenn der Rhein sehr viel Wasser führe, könnten die Schiffe mit voller Ladung fahren. „Im schlimmsten Fall ist der vom Hochwasser betroffene Bereich für einige Tage komplett für den Schiffsverkehr gesperrt. Die Schiffe müssen dann so lange anlegen und können – nach Abflauen der Hochwasserwelle – zu den Entladestellen weiterfahren“, ergänzt Mehrle.

770 Meter lang, 2,60 Meter Durchmesser, 256 Betonröhren: Das sind die „nackten“ Zahlen zum Düker 3, der vom Kraftwerk Mitte unter dem Rhein hindurch zur Friesenheimer Insel führt. Doch wie ist es eigentlich, selbst durch den Düker zu laufen? Wir begleiten Bernd Nitschke von der Einheit  Rohrbrücken, Produkt- und Energieleitungen auf seinem Kontrollgang unter dem Rhein. 

Durch den Düker: Ein (Video-)Spaziergang unter dem Rhein

Einmal im Monat macht sich Bernd Nitschke auf den Weg nach K 111. Hier, direkt am Ufer des Rheins, ist der Einstieg in den Düker 3. Vor der Begehung gibt es für alle „Neulinge“ eine Sicherheitsunterweisung. Außerdem kontrolliert Nitschke über ein Kontrollgerät am Einstieg den aktuellen Sauerstoffgehalt, und die Temperatur in der Dükerröhre. Die Werte sind in Ordnung, es kann losgehen.

Durch das Kopfbauwerk K111 betreten wir den Düker. Wir laufen über einen Laufsteg aus Metall am Boden, auf den ersten Metern geht es steil bergab. Obwohl draußen noch kühle Wintertemperaturen herrschen, sind es im Düker warme 30 Grad. Im Sommer ist es hier unten deutlich unangenehmer, erklärt Nitschke. Dann herrschen trotz der isolierten Rohre heiße 40 Grad. Eines der Rohre ist eine 40-bar-Dampfleitung. Über sie versorgt der Düker seit Juli 2006 den Werksteil Friesenheimer Insel mit Dampf aus dem zentralen Dampfnetz des Werks Ludwigshafen. Etwa 80 bis 90 Tonnen Dampf pro Stunde durchströmen die Leitung. Die Mitarbeiter vom Kraftwerk sorgen dafür, dass der Druck und Menge dem Bedarf auf der Friesenheimer Insel entsprechen.

 

Entlang genau dieser Rohrleitung führt uns der Weg immer tiefer unter den Rhein. Nach etwa 15 Minuten bleibt Nitschke plötzlich stehen. „Haben Sie alle Ihre Pässe dabei?“, fragt er scherzhaft und erklärt uns, dass wir jetzt am tiefsten Punkt des Dükers in der Mitte des Rheins angekommen sind. Er deutet auf ein Schild und erklärt, dass wir genau an diesem Punkt auch die Grenze zwischen Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz erreicht haben. Über uns sind jetzt ungefähr zehn Meter Sand und Kies, darüber nochmal drei bis vier Meter Wasser – je nach Wasserstand des Rheins.

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770

Meter ist die Betonröhre lang, die zwei Werksteile und zwei Bundesländer unter dem Fluss miteinander verbindet.

Seit 2006 ist der Düker in Betrieb. Im Sommer 2005 wurden die Röhren von der Friesenheimer Insel aus Stück für Stück durch Sand und Kies unter der Wasseroberfläche bis zum Werk Ludwigshafen geschoben.

Drei Monate brauchte der Bohrkopf, um der 770 Meter langen Betonröhre unter dem Rhein den Weg nach Ludwigshafen zu bahnen. Alle drei Jahre, so erfahren wir, wird die Überdeckung des Dükers gemessen, das heißt: die Höhe von Sand und Kies, die den Düker bedecken. Sollte die Menge nicht mehr reichen, müssen Sand und Kies nachgeschüttet werden.

Nach der Landesgrenze wird der Weg anstrengender: Es bleibt sehr warm, und es geht jetzt stetig bergauf. Über uns ist mittlerweile kein Wasser mehr, sondern Erde, denn nur etwa ein Drittel des Dükers liegt unter Wasser. 45 Minuten sind wir schon unterwegs auf unserem Kontrollgang, als wir das Ende des langen Tunnels erreichen – das Kopfbauwerk auf der Mannheimer Rheinseite Bernd Nitschke führt uns über 40 Treppenstufen im Kopfbauwerk FA315 hinauf ans Tageslicht. Von hier ist es jetzt kaum noch vorstellbar, dass wir vor wenigen Minuten tief unter dem Wasser den Fluss durchquert haben.