Geschichte

100 Jahre Oppauer Explosionsunglück

Das Unglück von Oppau 1921 – ein Film zum Erinnern und Gedenken

Den Opfern der Explosion gewidmet ist dieser Film von BASF Corporate History, der in Kooperation mit der Stadt Ludwigshafen am Rhein gezeigt wird. Der Film informiert über das Ereignis, die wahrscheinlichen Ursachen und den Umgang mit der Katastrophe und er beschreibt den Beitrag, den Corporate History zum lebendigen Gedenken leistet.

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Am Morgen des 21. Septembers 1921 ereignete sich im Werk Oppau eine der schlimmsten Katastrophen der Industriegeschichte. Bei einer Lockerungssprengung kam es um 7.32 Uhr zu einer verheerenden Explosion in einem Düngemittelsilo. Das Unglück forderte über 500 Menschenleben. Rund 2.000 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Die Druckwelle war so stark, dass selbst in Heidelberg, Worms, Darmstadt und vereinzelt sogar im über 80 Kilometer entfernten Frankfurt Glasscheiben zersprangen. Die Erschütterungen der Explosion wurden noch in der über 300 Kilometer entfernten Erdbebenwarte München registriert. 

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Innen- und Außenaufnahme des Düngemittelsilo Op 110 vor der Explosion, April 1921

Im Silo Op 110 lagerten rund 4.500 Tonnen Ammonsulfatsalpeter. Der Mischdünger hatte die Eigenschaft bei der Einlagerung zusammenzubacken und steinhart zu werden. Üblicherweise wurde er für den Abtransport durch Sprengungen mit einem Sicherheitssprengstoff aufgelockert und dann auf Korngröße verkleinert. In einer Reihe zuvor durchgeführter Sprengversuche hatte sich dies als offenbar ungefährlich erwiesen. Zum Zeitpunkt der Explosion waren bei BASF bereits über 20.000 solcher Lockerungssprengungen problemlos durchgeführt worden.

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Blick in eines der Düngemittelsilos im Werk Oppau, 1921

Von überall her strömte bald Hilfe nach Oppau: freiwillige Bürger, Ärzte und Sanitätspersonal auch von größeren Fabriken, Feuerwehren und Polizeimannschaften, Abteilungen des Roten Kreuzes auch weiter entfernt liegender Städte und Gemeinden. In Schulen wurden Räume zu Lazaretten umfunktioniert und Platz für die Unterbringung Obdachloser geschaffen. Suppenküchen sorgten für eine behelfsmäßige Verpflegung. Die französischen Besatzungstruppen halfen unter anderem mit Sanitätspersonal und Ordnungskräften. Im Werk selbst war es vor allem die Belegschaft, die erste Rettungsarbeiten leistete. 

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Einsatzkräfte in den Trümmern eines Silos
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Ein provisorisch eingerichteter Verbandsplatz, Foto: Stadtarchiv Ludwigshafen am Rhein

Das Ausmaß der Zerstörung war gigantisch. Das Werk Oppau und die umliegenden Gemeinden glichen einer Trümmerlandschaft. An der Explosionsstelle selbst gähnte ein riesiger Krater - 96 Meter breit, 165 Meter lang und 18,5 Meter tief, in dem sich Grundwasser sammelte.

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Der mit Wasser gefüllte Explosionskrater
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Zerstörungen im Werk Oppau

Außerhalb des Werkes waren die Zerstörungen naturgemäß in der nächstgelegenen Gemeinde Oppau am größten. Rund 2.000 Gebäude waren dort beschädigt, davon waren 1.036 Gebäude vollständig zerstört. Schwere Sachschäden, wenn auch nicht so verheerend wie in Oppau, hatte auch die Gemeinde Edigheim zu beklagen. In Oggersheim, Frankenthal, Ludwigshafen, Mannheim, bis nach Worms und Heidelberg waren Mauern an Gebäuden gerissen, Dächer abgedeckt, Scheiben eingedrückt, Tür- und Fenstereinrahmungen aus dem Senkel verschoben.

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Bewohner der Gemeinde Oppau vor den Trümmern ihrer Existenz, Foto: Stadtarchiv Ludwigshafen am Rhein

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Verwüstete Wohnhäuser in der Gemeinde Oppau, Foto: Stadtarchiv Ludwigshafen am Rhein

Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung fand am 25. September auf dem Ludwigshafener Hauptfriedhof eine Trauerfeier für die Verstorbenen statt. Zahlreiche namhafte Persönlichkeiten erwiesen den Opfern die letzte Ehre, unter ihnen Reichspräsident Friedrich Ebert, die Oberbürgermeister der Städte Ludwigshafen und Mannheim, die Spitzen der bayerischen und badischen Regierung und Vertreter der französischen Besatzungsbehörde. Trauerfeiern fanden auch in anderen Gemeinden statt, in denen Opfer zu beklagen waren. Das Gedenken an die Opfer wird bei BASF bis heute wachgehalten, unter anderem mit Gedenkfeiern zu Jahrestagen, Kranzniederlegungen oder das Erinnern in Wort und Schrift.

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Ehrenbegräbnisfeld auf dem Ludwigshafener Hauptfriedhof (Titelseite der Werkzeitung vom Oktober 1921)

Der Wiederaufbau und die Versorgung der Geschädigten stellten Werk und Gemeinde vor eine große Herausforderung. Schon bald nach dem Unglück hatte sich eine überwältigende Spendenbereitschaft zur Unterstützung der Opfer und Hinterbliebenen weit über die Grenzen der Pfalz hinaus gezeigt. Den Wiederaufbau Oppaus organisierte das von der bayerischen Regierung gegründete „Hilfswerk Oppau“. Als es 1924 seine Tätigkeit einstellte, waren über 2.000 Bauten in Oppau und Edigheim wiederaufgebaut oder neu errichtet worden. Im Werk gelang es nach nur elf Wochen die Ammoniakproduktion wieder in Betrieb zu nehmen. Über 10.000 Bauarbeiter aus ganz Deutschland waren am Wiederaufbau der Fabrikanlagen beteiligt.

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Im Juli 1925 berichtet die Werkzeitung über das neu aufgebaute „Großdorf“ Oppau.

Unmittelbar nach der Katastrophe beschlossen sowohl der Bayerische Landtag als auch der Reichstag die Einsetzung von Untersuchungskommissionen. Zur Klärung des Sachverhalts wurde eine Vielzahl von Zeugen und Sachverständigen hinzugezogen. Die Experten sahen sich jedoch nicht in der Lage, das Unglück abschließend aufzuklären. Sie waren der Auffassung, dass Fabrikleitung, Chemiker der Fabrik und die Aufsichtsbehörden nach systematischen Sprengversuchen und zahlreichen problemlos verlaufenen Sprengungen in dem guten Glauben waren, dass das Sprengen keine Gefahr darstelle. So erklärte der Reichstagsausschuss in seinem abschließenden Bericht: „Bei dem Explosionsunglück in Oppau handelt es sich um eins jener Betriebsunglücke, deren Ursachen durch alle Anstrengungen der Untersuchung und Zuhilfenahme der Wissenschaft und Technik nicht zuverlässig ergründet werden können.“ Als Konsequenz aus dem Unglück wurde die Produktion von Ammonsulfatsalpeter am Standort zunächst eingestellt und erst später mit einem verbesserten Verfahren und unter Berücksichtigung aller neuen wissenschaftlicher Erkenntnisse wieder aufgenommen.

Aus heutiger Sicht sind die wesentlichen Elemente der Unglücksursache bekannt: Durch die Verfahrensänderung Anfang 1921 (Einführung des Sprühtrocknungsverfahrens) bei der Produktion des Düngemittels kam es  zu veränderten physikalischen Eigenschaften des Ammonsulfatsalpeters, die es möglich machten, dass das Produkt entgegen vorherigen Annahmen eben doch explodieren konnte. Außerdem bildete sich an einigen Stellen im Silo ein schneeartiges Pulver mit deutlich erhöhtem Nitratanteil, wodurch sich die Explosionsfähigkeit erhöhte. Wahrscheinlich ist, dass dieser Produktschnee durch die Sprengung zur Explosion gebracht wurde. Dies wiederum wurde zur Initialzündung: ein weiterer Teil des Ammonsulfatsalpeters, konnte nun aufgrund seiner veränderten physikalischen Eigenschaften explodieren, obwohl er ein korrektes Mischungsverhältnis aufwies. Allerdings kann auch heute das detaillierte Zusammenspiel der einzelnen Faktoren nicht abschließend aufgeklärt und bewiesen werden.