20. Februar 2016

Medien

Wie werden wir uns in Zukunft ernähren?

Die Vereinten Nationen (UN) sagen voraus, dass wir die gegenwärtige Nahrungsmittelproduktion bis 2050 um 70% steigern müssen, um die Welt zu ernähren. Es gibt nicht die eine Lösung für diese Herausforderung, doch sie befördert einige innovative Ideen, die die Art, uns zu ernähren, grundlegend ändern könnten.

Im Jahr 1931 prophezeite Winston Churchill in einem Artikel für das Magazin The Strand, dass eine Zeit kommen würde, in der Wissenschaftler Mikroben verwenden, um Fleisch im Labor zu züchten – in etwa so, wie Bäcker Hefe zum Brotbacken nutzen. 82 Jahre später ist die Vorhersage von Churchill Realität geworden: 2013 schrieb Mark Post, PhD und Professor für Physiologie an der Universität Maastricht, Wissenschafts- und Kochgeschichte, indem er einen Burger präsentierte und aß, den er in seinem Labor in Maastricht gezüchtet hatte. Heutzutage ist der Gedanke an Fleisch aus dem Labor für viele noch eine befremdliche Vorstellung. Doch da sich eine Flut von Ereignissen anbahnt, die die weltweite Ernährungssicherung bedrohen könnte, spricht immer mehr dafür, dass die Zeit für diese Idee reif ist.

„Ich habe damit begonnen, um Probleme anzugehen, die ich als besonders dringend empfinde, dazu zählen Gefährdungen für die Ernährungssicherung und die Umweltkosten der Rindfleischproduktion.“

Professor Mark Post, PhD, Universität Maastricht

Professor Mark Post, PhD, beißt in seinen Burger aus Fleisch, das im Labor gezüchtet wurde.

Die Weltbevölkerung hat im vergangenen Jahr 7,2 Milliarden erreicht und wird 2050 voraussichtlich auf über 9 Milliarden Menschen wachsen. Nach wie vor hat jeder Neunte nicht genug Nahrung für ein gesundes Leben. Gleichzeitig ist die Mittelschicht beträchtlich gewachsen; bis 2030 wird ihr ein Anstieg auf 4,9 Milliarden vorausgesagt. Mit diesem neu gewonnenen Wohlstand gehen der Appetit auf Fleisch, Eier und Milchprodukte – die Art hochwertiger, stark proteinhaltiger Kost, die so lange mit dem Westen assoziiert wurde – einher. Unterdessen hat die Art unserer Tierhaltung als eine der größten Treibhausgasquellen enorme Auswirkungen auf die Umwelt.

Wie können wir angesichts all dieser Herausforderungen unsere Nahrungsmittelproduktion und -versorgung sowie unsere Ernährungsweise verbessern und uns gleichzeitig auf eine Weltbevölkerung von mehr als 9 Milliarden vorbereiten? Wir müssen dringend anfangen, darüber nachzudenken, wie sich dieser zusätzliche Bedarf auf nachhaltige Weise befriedigen lässt. Fleisch ist ein guter Ausgangspunkt. Der weltweite Fleischkonsum nimmt zu. Bis 2050 dürfte sich der weltweite Fleischkonsum um 76% erhöhen. Methan von Kühen ist als Treibhausgas jedoch 25-mal wirksamer als CO2.

Eine weitere aussichtsreiche Lösung sind Insekten – eine äußerst nahrhafte und ökologisch nachhaltigere Proteinquelle als Fleisch.

Viele sehen die Welt der Insekten als eine Alternative. Sie verursachen geringere Treibhausgasemissionen und brauchen deutlich weniger Land und Wasser, als für die Viehzucht erforderlich sind. Außerdem benötigen Insekten wie Grillen nur 2 Kilogramm Futter für jedes Kilogramm, das sie an Gewicht zulegen. 2013 hat die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) eine Studie zu essbaren Insekten und ihrem Potenzial als alternativem Nahrungsmittel durchgeführt. Insekten sind bereits Teil der traditionellen Ernährung von 2 Milliarden Menschen und 1.900 Arten werden als Nahrungsmittel genutzt. Sie schneiden nach praktisch jedem Kriterium, das man zur Bewertung heranziehen kann, sehr gut ab – sie sind eine äußerst nahrhafte Quelle von guten Fetten.

Doch trotz ihrer Vorzüge haben sich Insekten im Westen bisher nicht durchsetzen können. Dort ist der Verzehr von Insekten kulturell nicht akzeptiert und die Umstellung auf eine fleischlose Ernährung eine Herausforderung. Das ist einer der Gründe, weshalb sich Post in seinem Maastrichter Labor vorgenommen hat, einen Weg zu finden, die weltweite Nachfrage nach Fleisch zu stillen, ohne die Umwelt zu beeinträchtigen oder Tieren zu schaden. Daher der Burger aus dem Labor.

„Wir möchten das nächste große globale Fleischunternehmen sein. Wir wollen Menschen ansprechen, die ihren Fleischkonsum reduzieren möchten und nach anderen Lösungen suchen.“

Brent Taylor, Mitbegründer von Beyond Meat

Das Unternehmen Beyond Meat hat ehrgeizige Ziele: Bis 2020 will es den weltweiten Fleischkonsum reduzieren, indem es eine Fleischalternative aus Pflanzenproteinen herstellt, die die Erfahrung von echtem Fleischverzehr bietet.

Das Verfahren, das er entwickelt hat, erfordert eine kleine Biopsie an einer lebenden Kuh. Etwa hundert Skelettmuskel-Stammzellen werden entnommen und anschließend bis zu dem Punkt kultiviert, an dem es theoretisch möglich ist, hundert Tonnen Fleisch aus einer einzigen Probe zu produzieren. Post und sein Team glauben, dass es bis zu sieben Jahre dauern wird, bis das Produkt das strenge europäische Regulierungsverfahren für Nahrungsmittel durchlaufen hat. Er räumt ein, dass es auch noch eine Weile dauern wird, bis Fleisch aus dem Labor allgemein akzeptiert ist. Doch eine aktuelle Umfrage unter deutschen Verbrauchern durch das Nahrungsmittelunternehmen Nestlé könnte Post Hoffnung machen. Dabei wurden Menschen nach ihrer Haltung zu alternativen Proteinquellen befragt und es zeigte sich, dass im Labor gezüchtetes Fleisch in 15 Jahren für deutsche Verbraucher durchaus so akzeptabel sein könnte, wie Sushi es heute ist.

In der Zwischenzeit entwickeln sich andere Ideen, die möglicherweise leichter umsetzbar sind. Brent Taylor ist Mitbegründer von Beyond Meat, einem Unternehmen, das von dem herkömmlichen Fleischersatz auf pflanzlicher Basis abgewichen ist: Es hat eine Alternative aus Erbsen- und Sojaprotein erzeugt, die sich Geflügel und Fleisch so stark annähert, dass sie sich sowohl an Fleischesser als auch an Vegetarier richtet. Taylor zufolge hat die Firma das ehrgeizige Ziel, den weltweiten Fleischverbrauch bis 2020 um 25% zu reduzieren: „Wir möchten das nächste große globale Fleischunternehmen sein. Wir wollen Menschen ansprechen, die ihren Fleischkonsum reduzieren möchten und nach anderen Lösungen suchen. Frühere Bemühungen richteten sich an den veganen oder vegetarischen Markt, weshalb diese Erzeugnisse den Erfahrungen von jemandem, der das Erlebnis des Fleischessens genießt, nicht gerecht wurden. Für uns geht es immer darum, wie wir nicht nur die Struktur, sondern auch die fantastische sinnliche Erfahrung von Fleisch schaffen“, erläutert Taylor.

„Verbraucher erkennen, dass ihre Gesundheit ihr neuer Wohlstand ist. Sie suchen nach ganzheitlichen Lösungen, die ein langes, gesundes und aktives Leben ermöglichen, verbessern und fördern.“

François Scheffler, Vice President Human Nutrition bei BASF

BASF züchtet genetisch optimierten Raps. Das Ziel ist es, Pflanzen mit einem höheren Anteil an gesunden, langkettigen Omega-3-Fettsäuren zu entwickeln.

Geschmack, Beschaffenheit und Geruch – all diese sinnlichen Elemente spielen eine entscheidende Rolle bei unserer Esserfahrung und definieren zusammen mit kulturellen Normen unsere Haltung gegenüber Nahrungsmitteln. Das Problem ist, dass uns wegen dieser Faktoren trotz zunehmenden Ernährungsbewusstseins oft Essen verlockend erscheint, das weder nachhaltig noch gesund ist. Wie können wir also eine gesunde, nachhaltige Ernährung attraktiver machen? Dies ist ein Dilemma, das der internationale Landwirtschafts-, Nahrungsmittel- und Futterkonzern Cargill erkannt hat. „Der Verbraucher will weniger vom Schlechten – etwa Transfette und gesättigte Fettsäuren – und mehr vom Guten, das heißt Dinge wie Omega-3-Fettsäuren“, erklärt Kyle Marinkovich, Assistant Vice President Marketing bei Cargill. Omega-3-Fettsäuren sind ein gutes Beispiel. Das Bewusstsein der Vorteile des Verzehrs von fetthaltigem Fisch – einer reichen Quelle an Omega-3-Fettsäuren – nimmt zu. Omega-3-Fettsäuren können zur Prävention von Krankheiten wie Stoffwechselerkrankungen, dem Abbau kognitiver Fähigkeiten und Herz-Kreislauf-Erkrankungen beitragen. Doch Untersuchungen zeigen, dass die meisten Menschen auf der Welt immer noch nicht genug davon zu sich nehmen. Ein oft genannter Grund ist ein abstoßender Geschmack und Geruch. Lösungen für dieses Problem sind geschmacksneutrale Fischöle, die Nahrungsmitteln hinzugefügt werden können – und so die gesunde Zutat liefern, ohne die Kundenerwartung oder den Geschmack zu verändern –, oder hochkonzentrierte Omega-3-Kapseln.

Indem sie neue Impulse aufgreifen, entdecken Wissenschaftler neue Wege, um unsere Gesundheit zu verbessern, und finden noch bessere Möglichkeiten, um den Nährwertgehalt unserer Nahrung zu erhöhen. BASF beispielsweise bietet reine und hochkonzentrierte Omega-3-Fettsäuren zur Verwendung in der Verbrauchergesundheit, der klinischen Ernährung und in pharmazeutischen Produkten an. „Eine scharfe Trennlinie zwischen Nahrung für die Energiezufuhr und Medikamenten zur Heilung von Krankheiten ist nicht länger relevant. Verbraucher Wohlstand ist. Sie suchen nach ganzheitlichen Lösungen, die ein langes, gesundes und aktives Leben ermöglichen, verbessern und fördern“, so François Scheffler, Vice President Human Nutrition bei BASF, der bestätigt, dass nahrhafte Lebensmittel und Spezialnahrung, darunter Nahrungsergänzungsmittel, ein wachsender Markt sind.

Unsere Sorgen hinsichtlich des Bevölkerungswachstums, der Gesundheit und der Umwelt führen dazu, dass wir nach neuen Wegen suchen, um uns zu ernähren. Viel davon ist noch visionär und bei manchen Ideen wird es einige Zeit dauern, bis man sich an sie gewöhnt hat. Denn Nahrung ist mehr als Ernährung. Sie bindet uns an Familie und Kultur und ist für viele eine Quelle großer Freude. Wir wollen unsere Beziehung zu Nahrung schützen und ändern unsere Essgewohnheiten nur ungern. Deshalb wird sich nicht die eine Lösung dafür entwickeln, wie wir uns in Zukunft nachhaltig ernähren können. Ob im Labor gezüchtetes Fleisch, Insekten oder pflanzliches Eiweiß, der Übergang wird sich langsam vollziehen, doch es gibt verschiedene Möglichkeiten und Ideen. Wer weiß, was wir in 30 Jahren essen werden. Doch eines ist sicher: Die Reise hat begonnen.

Internationale Kitchen Labs der BASF: Essen ist Kultur - Kultur ist lokal