26. Februar 2018
Medien

Zeitalter der Superhirne

Supercomputer sind bereits heute blitzschnelle Analysierer. Jetzt steht der nächste Durchbruch unmittelbar bevor. Und die Potenziale sind gewaltig.

 

Die Antwort auf alle wichtigen Fragen des Lebens ist eigentlich ganz einfach. „42“ lautet sie, berechnet in 7,5 Millionen Jahren vom Supercomputer „Deep Thought“ im Science-Fiction-Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“.

 

Anders als in der 40 Jahre alten Fiktion liefern die leistungsstarken Rechenmaschinen heute nutzbare Ergebnisse. In der Chemie helfen sie beispielsweise bei der Simulation von Molekülen, um neue Wirkstoffe zu finden. Sie machen die Wasser- und Energieversorgung effizienter und sind wichtige Helfer bei der Vorhersage von Epidemien und Erdbeben oder bei der Diagnose von Krankheiten: In Japan beispielsweise tappten Onkologen im Fall einer 60 Jahre alten Frau im Dunkeln – bis sie IBMs Watson zurate zogen. Gerade einmal zehn Minuten brauchte der Superrechner, um die Diagnosedaten der Erkrankten mit zig Millionen Krebsstudien abzugleichen und eine extrem seltene Leukämieart zu finden. Die Mediziner passten ihre Therapie an, die Frau wurde mithilfe von „Dr. Watson“ erfolgreich behandelt.

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Der kleine Roboter Pepper des japanischen Mobilfunkunternehmens Softbank spricht dank der Technologie von IBMs Supercomputer Watson 20 Sprachen und erkennt sogar Emotionen.

Rekordbrechende Supercomputer

 

Supercomputer, die durch mehrere Tausend Prozessoren höchste Rechenleistungen erzielen, könnten eine Schlüsselrolle dabei spielen, die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen. „Wir stehen vor Veränderungen, die revolutionär sein werden“, prognostiziert der US-amerikanische Informatik-Professor und Supercomputer- Experte Thomas Sterling. Dank ihrer Rechenpower sieht er Supercomputer auf einer Stufe mit Innovationen, die die Entwicklung der Menschheit entscheidend vorangebracht haben – wie etwa die Entdeckung des Feuers. Entsprechend hart umkämpft ist der Markt. Vor allem China und USA liefern sich ein Wettrennen der Hochleistungsrechner. Mit dem CDC 6600 kam 1964 in den USA der erste Superrechner der Welt auf den Markt.

 

Über lange Jahre dominierten die Amerikaner die Szene, doch jüngst haben sich Maschinen aus China an die Spitze geschoben: Mit 93 Petaflops – das sind 93.000.000.000.000.000 Berechnungen pro Sekunde – ist der Sunway TaihuLight der mit Abstand schnellste Supercomputer (Stand November 2017). „Mit seiner Hilfe können etwa komplexe Klimamodellierungen fast hundertmal schneller errechnet werden als von Computern mit einem Petaflops, der damit ein ganzes Jahr beschäftigt wäre. Das gibt dem Kampf gegen den Klimawandel eine neue Dimension“, beschreibt Sterling. Tianhe-2 folgt auf Sunway und weist immerhin eine fast doppelt so hohe Rechenleistung auf wie der drittplatzierte Piz Daint aus der Schweiz. Der schnellste US-Computer Titan liegt auf dem fünften Platz.

Wir stehen vor Veränderungen, die revolutionär sein werden.“

Thomas Sterling

Professor für Computerwissenschaften, Indiana University/USA

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Der Hochleistungsrechner der TU Dresden füllt eine eigene Halle.
Seine Spitzenleistung liegt bei über 1,5 Billiarden Rechenoperationen pro Sekunde.

93.000.000.000.000.000

Berechnungen pro Sekunde, durchgeführt vom schnellsten Supercomputer der Welt, TaihuLight (Stand November 2017).

Oft gehen mit Leistungsrankings allerdings auch starke Vereinfachungen einher. Große Rechenkraft allein hilft nicht bei allen wissenschaftlichen Fragen weiter. Auch die Größe des Speichers spielt eine wichtige Rolle – und vor allem die Programmierung. Trotzdem ist die Rechenleistung eine wichtige Voraussetzung, damit die Superhirne ihre Fähigkeiten voll ausspielen können. Daher tüfteln Forscher weltweit schon an der nächsten Stufe des Superrechners: dem Exascale-Computer. 1.000 Petaflops stark, soll er eine Trillion, das sind 10 hoch 18, Rechenoperationen in der Sekunde ausführen können. China hat nach eigenen Angaben schon mit dem Bau eines Prototyps begonnen, gefolgt von den Vereinigten Staaten. Damit sie nicht ins Hintertreffen geraten, gab das US-Energieministerium diesen Sommer eine Förderung von 258 Millionen $ an Firmen bekannt, die in den nächsten drei Jahren den Exascale-Rechner voranbringen sollen.

 

Die bisher eher abgeschlagene Europäische Union wiederum will laut Andrus Ansip, dem Kommissar für den digitalen Binnenmarkt, ebenfalls kräftig investieren, um bis 2022 die Exascale-Marke zu knacken. Geschätzte 5 Milliarden € werden dafür nach EU-Auskunft nötig sein. Bisher sind die EU-Staaten viel zu sehr auf die Rechenleistung von Supercomputern angewiesen, die etwa in China und den USA stehen. So stellte noch im Frühjahr 2017 die EU-Industrie nur etwa 5 Prozent der Kraft von Hochleistungscomputern, nutzte aber ein Drittel der weltweiten Ressourcen. Auch Japan steigt in den Aufholkampf mit ein und will mit „AI Bridging Cloud Infrastructure“ schon 2018 an die Spitze der Supercomputer-Liga stürmen.

Die digitale Industrie

 

Die digitale Transformation schreitet immer weiter voran und durchdringt die Wertschöpfungsketten der Industrie.
Wir zeigen einige Beispiele:

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Helfer der Naturwissenschaftler

 

„Besonders im Bereich der Naturwissenschaften sind starke Supercomputer schon heute unverzichtbar, um molekulare Vorgänge eins zu eins zu simulieren“, sagt der deutsche Wissenschaftsphilosoph und Experte für Künstliche Intelligenz (KI) Professor Klaus Mainzer. So helfen sie, aus der Vielzahl möglicher Kombinationen dieser Bausteine genau diejenigen herauszufiltern, die überraschende Erkenntnisse und neue Produkte versprechen. Der lernfähige Superrechner trifft die Vorauswahl, ins Labor kommen nur noch die vielversprechendsten Substanzen. Demgemäß vertraut auch BASF seit Herbst 2017 auf solch einen kraftvollen digitalen Helfer, um virtuelle Experimente auszubauen und komplexe Fragestellungen zu beantworten. So verkürzt er die Zeit, bis verwertbare Ergebnisse vorliegen, von mehreren Monaten auf wenige Tage (siehe BASF-Supercomputer QURIOSITY).

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Das Kabelgemenge für die Netzwerkverbindungen bei einem Supercomputer.

„Die anspruchsvollen Fragestellungen aus der Chemie können zu einem Treiber für Supercomputing werden“, glaubt Sterling. Sie könnten dazu beitragen, die kritischen Grenzen der Technologie zu erkunden – und zu überwinden. Denn der Branche machen Engpässe zwischen Prozessor und Speicher zunehmend zu schaffen. Diese werden umso schwerwiegender, je größer die Datenmengen sind, die hin- und hergeschoben werden müssen. „Dieser Flaschenhals der herkömmlichen Von-Neumann-Rechner-Architektur muss überwunden werden“, sagt Sterling. Dafür sei ein neues Denken nötig um Rechen- und Speicheroperationen auf smarte Weise zusammenzuführen.

 

Eine andere Technologie hat die elementare Logik, nach der chemische Prozesse funktionieren, bereits verinnerlicht: Der Quantencomputer könnte neue Erkenntnishorizonte erschließen. Die nächste Dimension der Superhirne – das Denken in mehreren Zuständen gleichzeitig – steht in den Startlöchern.

 

Nächster Teil: Quantencomputer
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