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Abfall als Chance
Als Jabir Karat das Ausmaß der Abfallkrise in Indien bewusst wurde, wollte er etwas dagegen tun. Um Erfahrung zu sammeln, arbeitete er nach dem Studium mehrere Monate als Müllsammler. Das inspirierte ihn zur Gründung von Green Worms, einem Unternehmen, das von UNESCO Green Citizens für seinen Einsatz gegen die Abfallkrise, für die Stärkung von Frauen und für ein nachhaltiges Umdenken in der Bevölkerung anerkannt wurde. Mit BASF fand Jabir einen erfahrenen Partner, der beim Recycling von Materialien aus der Schuhproduktion unterstützt.
Herr Karat, wie haben die Menschen in Ihrer Region vor der Gründung Ihres Unternehmens im Jahr 2014 ihren Müll entsorgt?
In den meisten ländlichen Gebieten verbrannten die Menschen ihren Müll einfach im eigenen Garten, vergruben ihn oder warfen ihn in nahegelegene Gewässer. Das war gängige Praxis, da es in Indien – insbesondere in ländlichen und halb-urbanen Regionen – kein organisiertes Müllsammelsystem gab. Nur wenige Großstädte, vielleicht 10 bis 20 % der Orte, verfügten über irgendeine Form von Müllabfuhr.

Wann wurde Ihnen das Problem bewusst?
Nach dem Studium habe ich mich für das Gandhi-Stipendium beworben und 2 Jahre lang an der Verbesserung von Bildungsprogrammen in den Slums von Mumbai gearbeitet, Indiens größter Stadt. Dort bekam ich hautnah mit, wie die Stadt mit ihrem Müll umging. Mir wurde klar, dass ich nicht nur Regierungen und Organisationen kritisieren, sondern selbst Teil der Lösung sein wollte. Also habe ich beschlossen, aktiv zu werden.
Um Ihre Geschäftsidee zu entwickeln, arbeiteten Sie acht Monate als Müllsammler. Wie sah Ihr Tagesablauf aus?
Jeder Tag begann um 6 Uhr morgens mit einem batteriebetriebenen Tuk-Tuk. Gemeinsam mit zwei Frauen fuhr ich durch die Dörfer und sammelte an der Haustür Abfall von etwa 200 Haushalten. Das war Teil eines Programms, um informelle Abfallsammler offiziell zu beschäftigen. Ich übernahm die Rolle des Fahrers und des Buchhalters und half bei der Organisation des Sammelprozesses. Unser Arbeitstag endete gegen 17 Uhr, mit einer Pause zwischen 12 und 14 Uhr.
Mit welchen Hindernissen hatten Sie bei der Gründung von Green Worms in Kerala, Indien, zu kämpfen?
Es hat rund 5 Jahre gedauert, das Unternehmen zu stabilisieren. Es gab unzählige Momente, in denen ich ans Aufgeben dachte. Der technische Teil funktionierte, aber die Finanzen waren eine echte Herausforderung. Meine Mitgründer und die ersten Investoren sind abgesprungen. Die Anfangszeit war voller Schwierigkeiten, aber jedes Hindernis war eine Lernerfahrung. Durchhaltevermögen und vor allem Leidenschaft haben mich vorangebracht. Ich habe ständig über Abfall und mögliche Lösungsansätze nachgedacht.
Zusammen den Kreislauf schließen
BASF unterstützt Green Worms mit ihrer Recycling-Expertise. Ab 2026 wird das Unternehmen Green Worms Polyurethan-Abfälle von seinen Kunden zur Verfügung stellen, die bei der Schuhherstellung anfallen. Green Worms wird dieses Material recyceln und daraus beispielsweise Möbel oder Spielplatzböden herstellen, die an Schulen gespendet werden. Das Projekt schafft neue Arbeitsplätze, fördert das Verständnis für Kreislaufwirtschaft und kommt lokalen Schulen zugute.
Mehr zu den BASF-Lösungen aus dem Schuhbereich finden Sie hier: Footwear
Wie haben Sie Geld verdient?
Anfangs haben wir Haushalten und Unternehmen eine kleine Gebühr für die Müllabholung berechnet – günstiger als die Verbrennung. Außerdem verkauften wir Wertstoffe an Recycler in ganz Indien. Heute haben wir unsere Einnahmequellen von zwei auf sieben erweitert. Beispielsweise verkaufen wir nun auch bestimmte Abfälle als alternativen Brennstoff an Zementfabriken, um Kohle zu ersetzen. Wir haben sogar einen Secondhand-Laden eröffnet, in dem wir gesammelte Textilien verkaufen.
Wer gehört zu Ihrem Team?
Als wir angefangen haben, hatten Frauen in vielen Gemeinden kaum Möglichkeiten, eigenes Geld zu verdienen. Bei Green Worms haben wir ihre Widerstandsfähigkeit erkannt und unser Modell darauf aufgebaut – mit fairen Löhnen, sicheren Arbeitsplätzen und würdevollen Arbeitsbedingungen. Heute haben wir über 850 Arbeitsplätze geschaffen.


Welchen Abfall sammeln Sie?
Wir sammeln Plastik, Papier, Metalle, Elektronik, Textilien – im Grunde alle Materialien, die wertvolle Ressourcen sind. Diese Rohstoffe wurden bereits gewonnen, und unser Ziel ist es, sie durch Recycling wieder in die Wirtschaft zurückzuführen. Beispielsweise sammeln wir Schuhe aus Haushalten und bringen sie zu unserer Recyclinganlage, wo sie nach Material sortiert werden. Die Materialien werden dann zu feinem Pulver gemahlen und in Formmaschinen gepresst. Wir verwenden sowohl gebrauchte als auch industrielle Schuhabfälle, denn auch bei der Herstellung neuer Schuhe fällt einiges an Abfall an. Es ist großartig, dass wir in diesem Bereich von der Expertise des BASF-Teams profitieren können.
Welche Veränderungen hat Green Worms bewirkt?
Wir haben alle Müllhalden in den von uns betreuten Gebieten geschlossen und sorgen dafür, dass kein Abfall mehr auf Deponien landet. Stattdessen werden 100 % der Abfälle für Wiederverwendung, Weiterverarbeitung, Recycling oder als Brennstoff genutzt. Das hat zu saubereren Straßen und Gemeinden geführt, und die Veränderung ist deutlich spürbar. Anfangs war es schwierig, Dorfvorsteher und Behörden zu überzeugen, aber mittlerweile kommen viele Menschen auf uns zu, um sich ein Bild von der Entwicklung zu machen. Der sichtbarste Erfolg ist die Schließung der offenen Müllkippen – darauf sind wir besonders stolz.



