20. Februar 2016

Medien

Die Quelle des Neuen

Wie können Städte Heimat für noch mehr Menschen sein, weniger Ressourcen verbrauchen und zugleich eine höhere Lebensqualität bieten? An dieser Frage arbeiteten die Teilnehmer des Creator SpaceTM Tour Stops in New York im Mai 2015. Inspiration lieferte unter anderem das Konzept „Urban Farm Pod“ der NGO Terreform ONE. Es verbindet Wissenschaft und Kunst in einer Vision von Lebensraum mit einem vertikalen Garten zum Anbau von Nahrungsmitteln.

Sie sind eine treibende Kraft – ohne Innovationen kommen wir nicht voran. Doch was macht sie aus? Und wie lassen sich Innovationen hervorlocken? Unsere Spurensuche geht wissenschaftlichen Erkenntnissen nach, zeigt, wie BASF anlässlich ihres 150-jährigen Jubiläums mit neuen Methoden den Innovationsgeist wachruft, und beobachtet Forscher bei ihren Durchbrüchen.

Ideen für das industrielle Wassermanagement zu finden, war die Aufgabe in einem Workshop in Mumbai im Rahmen der Aktivitäten zum 150. Jubiläum der BASF. Um die Kreativität anzuregen, standen Diskussionen, Theateraufführungen und ein Seminar über Unterwassertunnel auf dem Programm.

Unerlässlich,
 aber schwer zu fassen

Fortschritt in der Geschäftswelt, der Wissenschaft, der Kunst und der Gesellschaft ist nur durch Inno­vation möglich – wenn wir erfolgreich neue Ideen in bessere Technologien, Produkte, Verfahren und Dienstleistungen übersetzen. Aus diesem Grund investieren Unternehmen, Regierungen und andere Organisationen rund um die Welt jedes Jahr Milli­arden Dollar in Forschung und Entwicklung. Einem Bericht der Unternehmensberatung PwC zufolge haben im vergangenen Jahr die 1.000 führenden Unternehmen im Bereich Forschung und Entwick­lung mehr als 540 Milliarden€ (600 Milliarden$) aus­ gegeben, was etwa 40% der weltweiten Aufwen­dungen für Forschung und Entwicklung entspricht.

Es geht nicht nur ums Geld
Für diejenigen, die es richtig anstellen, machen sich all diese Anstrengungen mehr als bezahlt. Investoren sind bereit, einen hohen Preis für An­ teile an Firmen wie Apple und Google oder für Start­ups zu bezahlen, von denen sie glauben, dass sie bedeutendes Innovationspotenzial haben. Doch es hat sich für Unternehmen als frustrierend schwierig erwiesen, permanent Innovationen zu liefern. Es geht keinesfalls nur ums Geld – nach zehn Jahren Forschung hat PwC keinen direkten Zusammenhang zwischen den Ausgaben einer Organisation für Forschung und Entwicklung und ihrer Innovationsfähigkeit gefunden. Und auch formale Abläufe allein sind es nicht. Unternehmen und Wissenschaftler haben eine Reihe von Model­len entwickelt, um den Verlauf von einer Idee oder einem identifizierten Bedarf bis hin zur vollende­ten Innovation zu beschreiben, aber eine Patent­lösung zum Erfolg konnte niemand definieren. Wie können wir dieses unverzichtbare und doch so schwer zu fassende Element also för­dern? Mehrere neue Ansätze zeichnen sich ab.

„Führende Unternehmen stellen sich die Frage, wie man die besten internen Leute mit den besten Leuten außerhalb zusammenbringen kann.“

Dr. Ellen Enkel, Professorin für Innovationsmanagement an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen

Nicht einfach nur mehr Ideen, sondern bessere

In den vergangenen Jahren haben viele Organi­sationen erkannt, dass große Budgets für For­schung und Entwicklung nicht zwangsläufig zu gewinnbringenden Innovationen führen. Teilweise lässt sich das auf ein Phänomen zurückführen, das Harvard­Professor Clayton Christensen als „Innovatoren­Dilemma“ bezeichnet. In seinem 1997 erschienenen Buch „The Innovator’s Dilemma“ argumentierte Christensen, dass erfolgrei­che Firmen ihre Anstrengungen im Bereich For­schung und Entwicklung zwangsläufig darauf konzentrieren, die gegenwärtigen und erklärten Bedürfnisse ihrer Kunden zu erfüllen. Dadurch werden sie anfällig gegenüber Konkurrenten, die „disruptive Innovationen“ einführen, die unaus­gesprochene oder zukünftige Kundenbedürf­nisse befriedigen, fundamental andere Techno­logien nutzen oder völlig neue Kundengruppen bedienen.

Menschen verbinden
In dem Bemühen, sich besser auf Umbrüche vorzubereiten, versuchen viele Organisationen nun, ihre Suche nach neuen Ideen auszuweiten. „Egal, wie groß ein Unternehmen ist, es wird niemals alle klugen Köpfe und alle guten Ideen in sich vereinen“, sagt Dr. Ellen Enkel, Professorin für Innovationsmanagement an der Zeppelin Uni­versität in Friedrichshafen. „Deshalb stellen sich führende Unternehmen die Frage, wie man die besten internen Leute mit den besten Leuten außerhalb zusammenbringen kann.“ Um diese inzwischen als „Open Innovation“ bekannte Ent­wicklung zu erleichtern, bauen Unternehmen viel engere Beziehungen zu Lieferanten und Bran­chenpartnern auf und suchen an Universitäten und bei Start­ups nach Teams und Einzelperso­nen mit brillanten Ideen. Sie ermutigen sowohl bestehende als auch potenzielle Kunden, an den Innovationsprozessen teilzuhaben. Außerdem veranstalten sie interne und externe Wettbewer­be, um nach neuen Ideen und Lösungen für schwierige Probleme zu suchen.

„Jede wirklich radikale Innovation wird auch Brüche erzeugen.“

Ashley Hall, PhD, Professor für Design-Innovation am Royal College of Arts in London/England

Mit neuen Ideen spielen

Manchmal ist die größte Hürde für Innovation die Notwendigkeit, das Alte einzureißen, um Platz für das Neue zu schaffen. Bedeutende Innovationen stören die bestehende Ordnung und bedrohen häufig etablierte Funktionen, Fähigkeiten oder Einrichtungen. „Jede wirklich radikale Innovation wird auch Brüche erzeugen“, meint Ashley Hall, PhD und Professor für Design­Innovation am Royal College of Art in London/England. „Und das heißt, dass dadurch jemand bedroht werden wird.“

Innovation durch Interaktion und Spiel: Beim Creator SpaceTM Tour Stop in New York diskutierten Stakeholder über vielfältige Herausforderungen und Fragestellungen rund um das Wohnen der Zukunft.

Innovation durch Spiel
Diesen Punkt greift auch Henrik Sproedt, Assistenzprofessor für Innovations­Praktiken an der Süddänischen Universität, auf. „Manchmal laufen Menschen nur zu kreativer Höchstform auf, um Veränderungen zu verhindern“, sagt er. Dieses Phänomen zeigt sich nicht nur in Unternehmen; die Geschichte der Innovation ist auch eine Ge­schichte des Widerstands gegen Veränderung: Von der „Sabotage“ von Webstühlen durch wüten­de Arbeiter während der industriellen Revolution bis hin zu jüngeren Bedenken im Hinblick auf neue Technologien wie die Gentechnologie.

Seine Forschung hat Sproedt dazu veranlasst, das Vorgehen von Unternehmen beim Innovati­onsmanagement infrage zu stellen. „Viele Orga­nisationen nutzen Stage­Gate®­Prozesse, um Risiken zu minimieren“, sagt er. Doch dafür „muss jemand die Bewertungskriterien festlegen.“ Wahre Innovation sei aber zu „komplex und cha­otisch“, um sich reibungslos in derart forma­lisierte Bewertungssysteme einzufügen.Hall stimmt dem zu und weist darauf hin, dass Unternehmen viel von der Arbeitsweise von De­signern lernen könnten. „Designer tendieren dazu, nicht mit der Frage bereits die Antwort vorwegzu­ nehmen“, stellt Hall fest. „Sie schweifen ab und experimentieren und sind bereit, neue Richtungen einzuschlagen, wenn sich ihnen diese eröffnen.“ Tatsächlich, so Sproedt, sollten innovative Tätigkeiten weniger Ähnlichkeit mit Arbeit und dafür mehr mit Spiel haben. „Für den Menschen ist das der natürlichste Weg, um Neues zu begreifen, weil beim Spielen die Angst vor dem Scheitern fehlt, die Kreativität hemmt.“

„Innovative Tätigkeiten sollten weniger Ähnlichkeit mit Arbeit und dafür mehr mit Spiel haben. Für den Menschen ist das der natürlichste Weg, um Neues zu begreifen, weil beim Spielen die Angst vor dem Scheitern fehlt, die Kreativität hemmt.“

Henrik Sproedt, Assistenzprofessor für Innovations-Praktiken an der Süddänischen Universität.

Eine offene und innovative Kultur schaffen

Wie ermutigen und fördern Unternehmen also Innovation? Man ist sich zunehmend einig, dass die Unternehmenskultur der ausschlaggebende Faktor ist. „Es gibt heute keinen zufriedenstellenden Maß­stab für Innovationsfähigkeit“, so Ellen Enkel. „Sollte ich aber einen erschaffen, würde ich zwei Dinge messen wollen: Wie offen sind meine Mit­arbeiter gegenüber Veränderungen und wie gut ist meine Organisation mit der Außenwelt vernetzt?“ Sproedt findet, dass viele Unternehmen Offen­ heit sowohl innerhalb ihrer eigenen Organisation als auch außerhalb erleichtern müssen. „Man muss alle Stakeholder frühzeitig zusammenbrin­gen, um ihnen Zeit zu geben, eine gemeinsame Sprache und ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln“, sagt er. Doch er räumt ein, dass dies Menschen schwerfallen kann, da die Notwendig­ keit, Ideen und Ansätze aus dem gesamten Unternehmen zu akzeptieren, dazu führen kann, die eigene berufliche Identität infrage zu stellen.

Jeder kann mitmachen
Doch selbst potenziell unangenehme neue Arbeitsregelungen und ­beziehungen können ein Katalysator für Innovation sein. „Innovation geschieht tendenziell zwischen den Dingen, und je größer die Herausforderungen in diesen Zwischenräu­men sind, desto besser“, sagt Hall. Er hebt auch eine der wichtigsten Erkenntnisse der jüngsten Zeit hervor: „Das Tolle an Innovation ist, dass sie nicht einem einzigen Teil einer Organisation ge­hört – jeder kann daran teilhaben.“

Gemeinsam Neues schaffen

Ideen und Konzepte entwickeln, um die Zukunft zu gestalten: Anlässlich ihres 150-jährigen Jubiläums eröffnet BASF mit dem Creator Space™ neue Denkräume. Im Mittelpunkt steht die kreative Zusammenarbeit von Mitarbeitern, Kunden und Wissenschaftlern sowie weiteren Gruppen. Hierfür wurden zahlreiche Co-Creation-Aktivitäten auf globaler und regionaler Ebene initiiert. Bei der Durchführung unterstützen verschiedene Methoden wie Jammings, Ideenwettbewerbe oder Open Innovation Challenges.